PROJEKTREPORTAGE

Rieckshof, Uckermark

Helga Blocksdorf Architektur

Foto: Ruben Beilby

Minimal – vom Stall zum Fotostudio

  • Text: Dagmar Hoetzel
  • Fotos: Ruben Beilby

Ein alter Hof, der Rieckshof, außerhalb der kleinen Ortschaft Klosterwalde in der hügeligen Landschaft der Uckermark gelegen, ist seit etlichen Jahren das Zuhause einer Stylistin und eines Fotografen. Das Haupthaus hatten die beiden nach und nach zum Wohnen ertüchtigt, dann sollte in dem ehemaligen Stall ein Fotostudio eingerichtet werden.

Betritt man den Stall durch dessen altes, zweiflügeliges Tor, wird der Blick sofort gefangen von der Landschaft. Sie tritt durch das neue große Fenster, das in identischer Abmessung wie das Eingangstor diesem gegenüber liegt, und scheint den Raum auszufüllen. Dann erst wandert der Blick zu der Treppe. Sie verläuft in der Achse neben dem Fenster und wendelt sich, bis die unterste Stufe sich ziehharmonikaartig vor dem Fenster ausbreitet. Ein Ort zum Sitzen und Schauen und der vielleicht poetischste Ort in diesem kleinen Refugium. Zu Beginn hatte Helga Blocksdorf, die mit der Planung beauftragte Architektin, einen 16 Meter breiten und halb so tiefen Raum vorgefunden, umschlossen von Felssteinmauern, die teils gestückelt, teils notdürftig repariert waren und etwas fragil wirkten, sowie eine vor gut zehn Jahren erneuerte Dachkonstruktion.

Ein mittig im Raum angeordneter Unterzug mit Stützvorlagen und ein Ringanker bilden die Basis für eine Nagelbinderkonstruktion mit einem Achsmaß von etwa 95 cm sowie einer roten Dachdeckung mit einer diffusionsoffenen Winddichtfolie. „Es ist immer eine riesige Anstrengung, ein kaltes Haus in ein warmes Haus zu verwandeln“, so Blocksdorf. Ein Glück also, dass die Architektin bei Planungsbeginn bereits eine funktionsfähige Dachkonstruktion vorfand. So konnte sie im ersten Gespräch mit den Bauherren, die einen Kostenrahmen von zunächst 120.000 Euro brutto vorgaben (der später auf 150.000 Euro aufgestockt wurde), sagen, dass es zwar ein äußerst geringes Budget sei, aber machbar. Dennoch musste der Entwurf sehr eingeschränkt agieren. „Was habt ihr eigentlich gemacht, außer einen Eimer Farbe an den Wänden aufzubringen?“, wird Helga Blocksdorf immer mal gefragt. Nun, ein Großteil der Kosten steckt allein im Boden. Der wurde mit 20 Zentimetern Glasschotter verdichtet und erhielt einen beheizbaren Zementestrich. Die raumbildenden Ausbauten beschränken sich auf wenige Maßnahmen, die aber im Entwurf so präzise ausformuliert und in Modellen immer wieder überprüft wurden und nun eine beinahe abstrakte Schönheit hervorrufen.

Im Wesentlichen handelt es sich um das große neue Fenster, das die Weite der Landschaft in das Gebäude holt, und die Treppe, die das Volumen teilt: in einen zweigeschossigen Bereich, wo sich unten ein Essbereich, eine Küchenzeile und die hinter einer Holzwand verborgenen WC- und Duschbereiche befinden, und oben zwischen den Nagelbindern Kojen entstehen sowie Raum fürs Umkleiden, Arbeiten oder Ruhen, belichtet von fünf Gauben, sowie einen hohen Raum. Hier, vor einer Hohlkehle, die die Giebelwand verdeckt, findet das eigentliche Fotoshooting statt. Der Blick reicht bis unter die beinah skulptural anmutende Konstruktion der schmalen, nur fünf Zentimeter messenden Nagelbinder, und so wird das ganze Volumen erfahrbar.

Was den Umbau auszeichnet ist der Spagat zwischen der Rohheit des ursprünglichen Stalls, die ja, teils aus gestalterischen Gründen, aber eben auch aufgrund des Budgets, noch erfahrbar ist, und einer Feinheit, die nicht zuletzt der Nutzung als Fotostudio geschuldet ist. So scheinen die Schilder zunächst verwunderlich, die den Besucher bitten, die Schuhe auszuziehen. Doch dieser vermeintliche Gegensatz von Empfindlichem einerseits – so sind beispielsweise die hölzerne Dachkonstruktion, die Treppe und alle weiteren neu eingebauten Holzteile weiß lasiert – und ruppiger Haptik andererseits verleiht dem Ort eine Großzügigkeit, die, zusammen mit der Freude an dem Ausblick, ein besonderes Lebensgefühl hervorruft.

Auch außen zeichnet sich dies ab: Es gibt einerseits die kleinen Gauben, die mit ihrer unregelmäßigen Setzung eine verspielte Leichtigkeit vermitteln, und der präzise, mit einer Diamantsäge durchgeführte Schnitt in die Westfassade für das große Fenster, während andererseits die bereits vorhandenen Öffnungen mit den alten Klappläden blieben. Lediglich die dahinter liegenden Fenster in Zweifachverglasung sind neu. Wie schafft man es, für ein so geringes Budget zu bauen? Das gehe nur, wenn man mit regionalen Fachplanern und Firmen zusammenarbeite, erläutert Helga Blocksdorf. Und: „In der Uckermark zu bauen, bedeutet, ohne Schriftverkehr zu bauen – und mit viel Vertrauen.“ So wurde beispielsweise die Gewährleistung mit den Bauherren und den Firmen geregelt, ansonsten wäre der Ausbau mit diesem geringen Budget nicht machbar gewesen.

Ein Glück also, dass die Bauherren bereits Erfahrungen hatten mit dem einfachen Bauen auf dem Land. „Es ist nicht unbedingt teurer, sich mit alten Häusern zu beschäftigen, es ist nur mehr Arbeit und verlangt mehr Aufmerksamkeit,“ resümiert Helga Blocksdorf und fügt hinzu, dass sie es möge, Grenzen auszuloten, „immer am Rande von irgendetwas arbeiten“ – dafür werde es dann schön.

Produktinformation
Die Thermostat-Steuerung des GROHE Tempesta Duschsystems überzeugt mit einfacher Bedienung und bietet ein Plus an Sicherheit. So bleibt die Wassertemperatur auch bei Druckschwankungen in den Leitungen stets konstant. Foto: Casper Godtliebsen

Architekten

HB/A Helga Blocksdorf

helgablocksdorf.de

Malplaquetstr. 19, 13347 Berlin

Die Architektin Helga Blocksdorf gründete 2013 in Berlin ihr Büro Helga Blocksdorf Architektur. Sie legt den Schwerpunkt bei ihren Projekten in unter anderem Berlin und Weimar auf das Bauen im Bestand und kommt jeweils mit nur wenigen Eingriffen an der Substanz zu individuellen und klaren Lösungen. Sie hat den Anspruch in jedem Projekt durch den kreativen Umgang mit Materialien nachhaltige und gesunde Räume zu entwickeln. In Weimar realisierte sie im Jahr 2021 das Kulturportal, ein temporärer Pavillon mit einer Fassade aus Birkenrinde.

Projekte (Auswahl)

Im Bau Wohn- und Atelierhaus Weißenseer Spitze, Berlin

2021 Kulturportal, Weimar

2021 Rieckshof, Uckermark 2018 Wohn- und Atelierhaus, Berlin-Rosenthal

Weitere Beiträge